Hatun Sürücü

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Hatun Sürücü (* 1981 in Berlin; † 7. Februar 2005 in Berlin-Tempelhof) war eine junge Deutschtürkin, die an einer Berliner Bushaltestelle ermordet wurde. Ihr Tod sorgte bundesweit für Entrüstung und entflammte eine Debatte über Zwangsehen und Wertvorstellungen in muslimischen Familien.

Sürücü wurde 16-jährig mit einem Cousin in der Türkei zwangsverheiratet und bekam ein Kind von ihm. Sie kehrte jedoch bald allein mit ihrem Sohn nach Berlin zurück, da sie sich mit ihrem Mann und dessen strenggläubiger Familie zerstritten hatte. Während sie anfangs in einem Wohnheim für minderjährige Mütter lebte, machte sie den Hauptschulabschluss und begann schließlich eine Lehre als Elektroinstallateurin, die zur Zeit ihres Todes kurz vor dem Abschluss stand. Am 7. Februar 2005 wurde sie in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung mit mehreren Kopfschüssen getötet.

Als Tatverdächtige nahm die Polizei am 14. Februar 2005 drei ihrer Brüder fest. Als Motiv wird ein sogenannter "Ehrenmord" vermutet, da Sürücü ihren Ehemann wie ihre Familie verlassen und sich entschlossen hatte, ein selbständiges Leben zu führen. Der Polizei waren mehrere Drohungen bereits vor dem Mord gemeldet worden.

Seit Oktober 2004 war dies das sechste Tötungsdelikt in Berlin, bei dem es sich vermutlich um einen sogenannten "Ehrenmord" an einer Frau handelte. Weitere Aufmerksamkeit erregte der Fall durch die Diskussion in einer achten Klasse der Thomas-Morus-Oberschule in Berlin-Neukölln, in der drei Schüler den Mord billigten („Die hat doch selbst Schuld. Die Hure lief rum wie eine Deutsche“), woraufhin der Schuldirektor Volker Steffens einen offenen Brief an die Eltern veröffentlichte („Diese Schüler zerstören den Frieden des Schullebens, wenn sie den Mord gutheißen. Wir dulden keine Hetze gegen die Freiheit.“). Damit löste er eine bundesweite Reaktion in den Printmedien und eine erneute Diskussion über ein Pflichtfach Wertekunde an Berliner Schulen aus.

Am 22. Februar 2005 fand am Tatort eine Mahnwache statt, an der etwa 100 Deutsche und Türken gemeinsam teilnahmen. Zu ihr hatte der Berliner Lesben- und Schwulenverband aufgerufen. Eine weitere, von Politikern und Künstlern initiierte Mahnwache fand am 24. Februar statt. Politiker und Frauenrechtlerinnen forderten von türkischen und islamischen Verbänden in Deutschland eine klare Stellungnahme zum Thema Ehrenmord. Am 5. März demonstrierten mehr als tausend Menschen, aufgerufen von Terre des Femmes und fast allen Berliner Frauenverbänden innerhalb und außerhalb der Parteien, beim Rathaus Neukölln gegen den Ehrenmord. Beim Internationalen Frauentag am 8. März 2005 wurde in vielen deutschen Städten gegen die Ermordung Sürücüs und gegen das Verbrechen sogenannter "Ehrenmorde" protestiert.

Der Türkische Bund Berlin-Brandenburg hat aus diesem Anlaß am 4. März 2005 einen Zehn-Punkte-Plan »Zur Bekämpfung der Intoleranz gegenüber Frauen« vorgestellt. Darin fordert der Verband u.a. eine "strikte Strafverfolgung der Zwangsverheiratung" und ein "öffentliches und aktives Bekenntnis aller türkischen und islamischen Organisationen zum Selbstbestimmungsrecht der Frauen."

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