Marianne Schönfelder

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Stolperstein für Marianne Schönfelder auf der Köpckestraße 1 in Dresden (Foto: Carola Ockert, 2013)

Marianne Schönfelder (* 30. Dezember 1917 Dresden - 16. Februar 1945 Großschweidnitz)

Leben

Marianne Schönfelder wurde als Dora Margarete Marianne Schönfelder am 30. Dezember 1917 in Dresden geboren. Familie Schönfelder lebte auf der Wiesentorstraße 5, der heutigen Köpckestraße 1 in der Nähe des Carolaplatzes. Nach der Volksschule ging Marianne Schönfelder auf die Neustädter Höhere Mädchenschule mit Mädchengymnasium. Marianne war 21 Jahre alt als sie in die Psychiatrische Landesanstalt Arnsdorf eingewiesen wurde. Die Diagnose lautete Schizophrenie, einer der Standardbefunde des Gesetzes zur Verhütung „erbkranken Nachwuchses“, der nach erstmaliger Feststellung kaum erneuter Prüfung unterlag. Noch im gleichen Jahr wurde Marianne zwangssterilisiert. Die Frauenklinik Friedrichstadt gehörte in Dresden zu einer der ersten Kliniken, die Zwangssterilisierungen vornahmen. Unter der Leitung des Chefarztes Heinrich Eufinger wurden zwischen 1933 und 1939 708 Frauen zwangssterilisiert, darunter 29 Prozent aufgrund von Schizophrenie. Mit Unterbrechungen konnte Heinrich Eufinger bis zu seiner Pensionierung 1965 weiter praktizieren. Im August 1943 wurde Marianne Schönfelder in die Sächsische Landesheilanstalt Großschweidnitz überwiesen. Insgesamt verbrachte sie sieben Jahre in nationalsozialistischen „Heil- und Pflegeanstalten“ bevor sie wegen Medikamentenüberdosierung, systematischer Mangelernährung und unzureichender Pflege am 16. Februar 1945 mit nur 27 Jahren ums Leben kam.

Im Juni 1932 entstand im Kreise der Familie Schönfelder eine fotografische Aufnahme, die Marianne im Alter von 14 Jahren zeigt; vor ihr liegt ihr viermonatiger Neffe Gerhard. Diese Fotografie diente dem Künstler Gerhard Richter 33 Jahre später zur Vorlage für das Fotobild Tante Marianne. Tante und Neffe bleiben in realistischer Malweise erkennbar, obwohl das Bildmotiv durch einen Verfremdungseffekt verwischt und verflüchtigt erscheint. Die Kunsthistorikerin Anna Moszynska (Sotheby's Institute of Art) betont die berührende Unschuld und Intimität dieses Fotobildes. Heinrich Eufingers jüngere Tochter wurde die erste Ehefrau des Künstlers. Nicht erst ein hoher Auktionspreis im Juni 2006 und der damit verbundenen Berichterstattung lenkte die Aufmerksamkeit auf Tante Marianne, die sich seit 2007 als Dauerleihgabe in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden befindet. Das Gemälde der Marianne Schönfelder avancierte zum Antlitz der Opfer nationalsozialistischer Euthanasie.

(Quelle: http://www.stolpersteine-dresden.de)

Gedenken

Am 25. November 2012 wurde zur Erinnerung an Marianne Schönfelder ein Stolperstein auf der Köpckestraße 1 (Dresden-Innere Altstadt) gesetzt.

Literatur

  • Faulstich, Heinz (1998): Hungersterben in der Psychiatrie 1914-1949. Mit einer Topographie der NS-Psychiatrie. Lambertus-Verlag Freiburg, S. 500-511.
  • Moszynska, Anna: „Revisiting Gerhard Richter’s Tante Marianne, 1965”, in: Godfrey, Tony (2009): Understanding Art Objects: Thinking through the Eye. Lund Humphries Farnham, S. 159-171.
  • Schreiber, Jürgen (2005): Ein Maler aus Deutschland. Gerhard Richter. Das Drama einer Familie. Pendo Verlag München.
  • Stecker, Heidi: „Opfer und Täter: Tante Marianne und so weiter“, In: Deutsches Ärzteblatt. Nr. 103 vom 17.07.2006.
  • Töpolt, Birgit: „Heinrich Eufinger. Chefarzt der Frauenklinik Dresden-Friedrichstadt und Mitverantwortlicher an der Zwangssterilisierung Dresdner Frauen“, in Pieper, Christine (2012): Braune Karrieren. Dresdner Täter und Akteure im Nationalsozialismus. Sandstein Verlag Dresden, S. 162-167.

Weblinks


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