Leseprobe Agnes Franz

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Agnes Franz


Das Mägdlein und die Rose


Sag', was spricht mich doch so innig
Aus der Rose Antlitz an?
Kann's nicht lassen, sie zu pflücken,
Sie an's trunk'ne Herz zu drücken;
Schaut sie doch mit Schwesterblicken
So vertraut zu mir hinan!


Für des Ruhmes Stirn erkoren,
Prangt das grüne Lorbeerreis;
Frische Myrthe, sagt man, deute
Auf den Schmuck beglückter Bräute,
Und des Friedens Engel weihte
Palmengrün zum Siegespreis.


Aber Rosen, junge Rosen -
Wir nur können sie versteh'n!
Ihre unschuldsvolle Blüthe,
Die am Kuß des Lichts erglühte,
Wurde von des Schöpfers Güte
Zu des Mägdleins Kranz erseh'n.


Seiner Liebe Odem hauchte
Beider Wangen purpurn an.
Beide wahrt er in der Hülle
Kühlen Schattens frommer Stille,
Weil des jungen Lebens Fülle
Dort nur froh gedeihen kann.


Darum kränz' ich mich mit Rosen
In des Lebens Blüthenmai.
Will ein Dörnlein mich auch stechen,
Dennoch will ich Rosen brechen:
Vieles kann die Rose sprechen,
Vieles denkt mein Herz dabei!


Harmlos blüht im Lebenslenze
Ros' und Mägdlein, treu bedacht.
Er, der Dornen gab dem Stengel,
Gab in einer Welt voll Mängel
Auch der Unschuld ihren Engel,
Und dem Herzen seine Wacht. -


aus: Buch für Mädchen, Breslau 1850


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